3
Feb
2005

Schmerzmittel ALEVE

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA warnt vor den Nebenwirkungen von BAYERs Schmerzmittel ALEVE. Bei einer Langzeit-Untersuchung zeigte sich, dass sich das Risiko der VersuchsteilnehmerInnen, einen Herzinfarkt zu erleiden, um 50 Prozent erhöhte.

Lesen Sie hierzu einen Vorabdruck aus „Stichwort BAYER 1/05“. Gerne senden wir ein Probeheft zu – email genügt.



Infarkt-Gefahr durch BAYER-Arznei

FDA warnt vor Schmerzmitteln



Im Herbst 2004 produzierten Nebenwirkungen von Schmerzmitteln immer wieder negative Schlagzeilen. Zunächst hatte eine Untersuchung dem MERCK-Präparat VIOXX Herz-Schädigungen nachgewiesen. Von 140.000 Infarkten, davon 1.500 mit Todesfolge, gehen die MedizinerInnen inzwischen aus, weshalb der Hersteller die Arznei vom Markt nehmen musste. Kurz darauf bescheinigten PharmakologInnen dem PFIZER-Medikament CELEBREX dieselbe Nebenwirkung. Und schließlich machte das "National Institute of Aging" (NIA) BAYERs schmerzlinderndes Pharmazeutikum ALEVE mit dem Wirkstoff Naproxen für eine erhöhte Herzattacken-Gefahr verantwortlich.



WissenschaftlerInnen hatten im Auftrag des NIA prüfen wollen, ob das zur Gruppe der nicht-steroiden Entzündungshemmer gehörende Mittel den Verlauf von Alzheimer positiv beeinflussen könne. Heraus kam etwas ganz anderes. ALEVE steigerte für die ProbandInnen das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, um 50 Prozent. Die Verantwortlichen stoppten den Test sofort und informierten die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA. Diese veröffentlichte sogleich einen so genannten "Warning Letter", in dem die Behörde die Schmerz-PatientInnen eindringlich beschwor, das Präparat nicht länger als zehn Tage einzunehmen und sich streng an die empfohlene Dosierung zu halten. Zudem kündigte die FDA genauere Überprüfungen an. Deren Ende könnte dann auch das Ende für ALEVE bedeuten.



BAYER selbst wiegelte mal wieder in gewohnter Manier ab. ALEVE sei ein erprobtes Mittel und in den USA seit 1976 auf dem Markt; es bestehe kein Handlungsbedarf, verkündete ein Öffentlichkeitsarbeiter des Konzerns. Auch das bundesdeutsche FDA-Pendant, das "Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte" (Bfarm), staunte über die alarmierenden Studien-Ergebnisse. "Als völlig überraschend" bezeichnete sie der beim Bfarm für die Arzneimittel-Sicherheit zuständige Axel Thiele. Der Pharmakologe Dirk Stichtenoth von der "Medizinischen Hochschule Hannover" reagierte hingegen weniger verblüfft. Stichtenoth zufolge befördern ALEVE, VIOXX, CELEBREX, IBUPROFEN und DICLOFENAC Wasser-Einlagerungen und Blutdruck-Steigerungen, was zu Schädigungen des Herz/Kreislauf-Systems führt. "Offenbar handelt es sich um einen Klassen-Effekt", kritisiert der Pillen-Experte die ganze Medikamenten-Gruppe.



Die breite Öffentlichkeit erfährt dagegen aus dem Munde von BAYER & Co. immer nur neue Wunderdinge über ALEVE und die anderen Medikamente, weil die Hersteller ihnen lukrative neue Anwendungsgebiete erschließen wollen. Einer unabhängigen Überprüfung halten sie meist nicht stand, wie jetzt das NIA-Experiment gezeigt hat. Nur leider haben solche staatlich geförderten Untersuchungen Seltenheitswert. Die meisten Arznei-Tests finanzieren die Pharma-Hersteller - und so sehen sie dann auch aus. Dafür schafft nicht selten schon die Versuchsanordung die Grundlage. Oftmals prüfen die wissenschaftlichen DienstleisterInnen nämlich nicht das Präparat an sich, sie vergleichen es lediglich mit den Mitteln der Konkurrenz. Marketing-technische statt wissenschaftliche Kriterien bestimmen also das Vorgehen. Zudem beschränken die AuftragspharmakologInnen aus Kostengründen die Zahl der VersuchsteilnehmerInnen, was es beträchtlich erschwert, Nebenwirkungen festzustellen. Spüren die ForscherInnen sie trotz alledem wirklich einmal auf, verheimlichen die Hersteller sie, wie BAYER es im Fall "LIPOBAY" getan hat.



"Wir brauchen mehr unabhängige Studien, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden", verlangt deshalb der Chef der "Europäischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde" (EMEA), Thomas Lönngren. Forderungen nach Überprüfungen neu eingeführter Medikamenten tauchten schon nach dem LIPOBAY-Skandal auf. Jetzt unternimmt die EMEA einen neuen Anlauf. Sie will BAYER & Co. die Pflicht zu markt-begleitenden Studien auferlegen. Es bleibt abzuwarten, ob ein solches Vorhaben den politischen Interventionen der mächtigen Pharma-Lobby standhält. Unbill droht dieser noch von anderer Seite. Die bundesdeutsche Ärzteschaft arbeitet nämlich an einer Software, die alle Neben- und Wechselwirkungen von Pharmazeutika verzeichnet. Eine solche Software gibt es zwar schon, aber sie ist "made by BAYER & Co." und hat deshalb die Nebenwirkung, es mit den Nebenwirkungen nicht so genau zu nehmen. Nach Meinung des verantwortlichen Mediziners Bruno Müller-Oerlinghausen jedenfalls kann das nach streng wissenschaftlichen Kriterien erstellte Register die ärztlichen Verschreibungsfehler um 80 Prozent reduzieren.



Bislang hat der ALEVE-GAU für BAYER nicht die Dimension des LIPOBAY-Skandals erreicht. Am geringeren Ausmaß der medizinischen Katastrophe lag das nicht, das ist noch gar nicht abschließend bestimmt. Die Folgen hielten sich für das Unternehmen vielmehr in Grenzen, weil sich auch der ALEVE-Umsatz mit 90 Millionen Euro in Grenzen hielt. Das Mittel gehörte mit zu der Sparte der rezeptfreien Arzneien, die der Pharma-Riese 2004 vom schweizer Konzern ROCHE erworben hatte. Im Jahr der Transaktion hatten die Multis die Produkte noch gemeinsam vertrieben und halbe-halbe gemacht. Erst zum 1. Januar gingen die Rechte allein auf BAYER über. Und jetzt sehen die Zahlen schon anders aus. Aleve war nämlich mit einem Jahres-Umsatz von 176 Millionen Euro der Top-Seller des ROCHE-Sortiments. Das Lob der Besonnenheit, das die FAZ den Aktien-HändlerInnen angesichts der "Peanuts-Profite" von ALEVE erteilte, könnte sich als vorschnell erweisen. "Die Börse hat denn auch schnell erkannt, dass die anfänglichen Kurs-Verluste der BAYER-Aktien gestern völlig übertrieben waren", hatte sie nach Bekanntwerden der Meldungen aus den USA geschrieben. Angesichts des nun gefährdeten Profites besteht durchaus die Aussicht, dass die ALEVE-Nebenwirkungen auch den BörsianerInnen noch Schmerzen bereiten werden. (von Jan Pehrke)



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